Montag, 21. September 2009

Der Herbst steht auf der Leiter


Und die Schwalben sitzen auf allen verfügbaren Leitungen. Worauf haben sie eigentlich gesessen, als Strom- und Telefonkabel noch nicht erfunden waren?

Schwalben über dem alten Glockenturm
Wie dem auch sei, bis gestern jedenfalls saßen Dutzende von Schwalben auf allen Leitungsdrähten rund um unser Haus. Wenn sie sich in der aufgehenden Sonne ausreichend erwärmt hatten flogen sie in großen Schwärmen mit aufgeregtem Gezwitzscher über uns hinweg - Flugübungen waren angesagt. Anschließend wurden den ganzen Tag über Insekten gejagt. Doch heute morgen war es verdächtig still. Alle Leitungsdrähte und auch der Himmel über uns blieben auffällig leer. Die große Reise hat also begonnen. Die beiden Störche, die im Dorf gebrütet haben, sind mit ihren beiden Jungen schon seit etwa zwei Wochen davongezogen. In Burgas haben wir zu der Zeit einige große Storchenschwärme aufsteigen sehen.


Und auch eine andere Vogelart hat die Reise nach Afrika angetreten. Sie waren uns bereits im Frühjahr aufgefallen. Ende April überflogen immer wieder kleine Vogelgruppen das Dorf. Sie fielen eigentlich nur auf durch ihre unaufhörlichen aufgeregten Rufe während des Fluges. Als dann mal zwei auf der benachbarten Zypresse eine kurze Rast einlegten konnten wir sie endlich auch bestimmen: Gelbe Halsflecken, türkisblauer Bauch, rötlicher Rücken - das konnten nur Bienenfresser sein. Vor einer Woche nun sahen und vor allem hörten wir immer neue Gruppen von ihnen über dem Dorf und den angrenzenden Wiesen. Die Gruppen sind ziemlich klein, zwischen zehn und 20 Vögel konnten wir jeweils beobachten. Sie ließen sich Zeit bei ihrem Zug, über den großen freien Flächen rund ums Dorf fanden sie jede Menge Insekten - noch mal richtig sattfressen vor dem Flug in arabische und afrikanische Länder.
Gestört wurde diese fröhlich zwitschernde Gesellschaft eigentlich nur den gelegentlichen Schüssen in den angrenzenden Wäldchen. Die Jagdsaison hat begonnen. Bereits am 8. August, wie die Medien vermeldeten. Die Jagd, so war zu lesen, ist außerordentlich wichtig für Bulgarien. Können sich die Wildtiere doch ungehemmt vermehren und große Schäden in den Wäldern anrichten. Und um diesen Schäden vorzubeugen beginnt die Jagdsaison, so war zu lesen, traditionell mit der Vogeljagd. Weil die Vögel wahrscheinlich unaufhörlich ganze Wälder kahlschlagen.
Die Jäger, die scharenweise jedes kleine Wäldchen heimsuchen, jedenfalls waren ein Grund, warum wir bei unserer jüngsten Pilzsuche nicht so weit in den Wald gingen. Weiß man, wie gut so ein Schießwütiger sieht und worauf er am Ende alles schießt? Wir haben die Beobachtung gemacht, dass in Bulgarien wahrscheinlich jeder zweite Mann bewaffnet ist. Kontrollen scheint es wenig zu geben. Der zweite Grund für die abgebrochene Pilzsuche waren aber auch die noch fehlenden Pilze.


Und noch ein kleiner Nachtrag zum Thema Jagd: Auf einer Internetseite eines Naturschutzvereines fand  ich die Mitteilung, dass die ungehemmte Jagd auf Vögel in Italien in den letzten Jahren erfreulicherweise zurückgegangen sei. Ich kann mir vorstellen warum: zahlreiche Italiener jagen jetzt in den bulgarischen Gebieten.

Dienstag, 1. September 2009

Da war die Freude groß

Nasch dom (unser Haus) in "Nasch Dom", einem bulgarischem Lifestyle-Magazin veröffentlicht. Na, da war die Freude groß. So schöne Fotos hatten wir von unserem Häuschen bisher noch nicht gesehen. Da sieht man halt doch, was ein Profi-Fotograf ist. Ende Juni war er mit einer Journalistin bei uns aufgetaucht und wollte sich mal unser Haus ansehen. Die beiden gehörten zu einem Filmteam, das in Warwara in einer Bucht an der Steilküste für einen Kinderfilm drehte. Und bei ihrem Aufenthalt hier hatten sie das Haus gesehen und interessierten sich dafür, wer ein für diese Region traditionelles Haus auch in dieser Tradition bewahrt und wie es zugleich modernen Wohnansprüchen angepasst wurde.

Im alten Baustil belassen
Das Haus, oder besser der Haustyp hat eine ganz eigene Geschichte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es auf dem Balkan neue Grenzfestlegungen mit mehreren "Gebietsbereinigungen". Das bedeutete konkret, dass beispielsweise die in der Region von Ahtopol ansässigen Griechen nach Griechenland umgesiedelt wurden. Dafür mussten Bulgaren, die auf türkischem oder griechischem Gebiet lebten, ihre dortige Heimat verlassen. Auch entlang der südlichen Schwarzmeerküste entstanden in Bulgarien neue Ansiedlungen. Die Vertriebenen bekamen ein Stück Land, auf dem sie eine neue Existenz begründen konnten. Eine überaus arme Existenz, denn sie hatten ja nur mitnehmen können was sie oder was der Eselskarren tragen konnte. Die Großmutter unserer Freunde in Ahtopol hat uns an ihrem 100. Geburtstag ein wenig von diesem Schicksal erzählt. 1912, da war sie 12 Jahre alt, musste sie mit ihrer Familie ihr Häuschen verlassen. Der Ort liegt heute auf türkischem Gebiet, unweit der bulgarisch-türkischen Grenze. Sie packten ihre wenigen Habseligkeiten, vieles mussten sie zurücklassen im kleinen Häuschen. Bevor sie loszogen in eine ungewisse Zukunft vergrub der Vater ganz in der Nähe des Hauses unter einem Baum den Hausschlüssel. Er zeigte den beiden Töchtern den Platz, damit sie ihn wiederfinden. Falls sie einmal zurückkommen würden. Zurückgekommen ist sie nie wieder, auch ihre Kinder und Enkel haben den Ort nie besucht.

Die neuen Fenster im Stil der alten
Damit sich die vielen Vertriebenen auf bulgarischem Boden ein neues Häuschen bauen konnten gründete ein französischer Unternehmer, Rene Sharon, zu Beginn der 20er Jahre einen Fonds, aus dem günstige Baudarlehen gewährt wurden. Die Häuser, die mit diesem Geld gebaut wurden, hatten alle das gleiche Aussehen. Eingeschossige Häuser mit zwei Zimmern und einer Küche. Der Eingangsbereich des Hauses war mit einer dreibogigen offenen Loggia versehen. Diese Art Häuser, von denen es allerdings nur noch wenige gibt, heißen bis heute die Sharonne-Häuser. Bei unserem Umbau zum Ferienhaus haben wir den alten Grundriss beibehalten, nur die Aufteilung der Innenräume verändert. Und das, die Bewahrung der Tradition, die Bewahrung eines Stückes Geschichte dieser Region, hat dem Fotografen und der Journalistin so gut gefallen, dass sie es mit einer Fotoreportage festhalten wollten.

Und wir zeigen nun natürlich ziemlich stolz die Zeitschrift herum.