Mittwoch, 2. Dezember 2009

Ein Reise-Krimi

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Wir auch. Unsere Reise führte uns nach Sofia, Freunde besuchen und Arzt aufsuchen. Da die Freunde nur eine kleine Wohnung haben, mieteten wir uns in einem Hostel in der Nähe ein. Junge Leute haben hier mit viel Fantasie, viel Eigenleistung und geringen Mitteln eine große alte Stadtvilla in eine Jugendherberge umgewandelt. Einfach das alles, aber nicht ohne Witz und mit künstlerischer Attitüde. Im Keller gibt es außer dem Frühstücksraum auch kleine Aufenthaltsräume mit Bar und Spielmöglichkeiten und Platz für kleine Ausstellungen. Eine solche wurde auch am Abend vor unserer Abreise eröffnet. Es waren also viele Leute im Haus unterwegs und auch im kleinen Innenhof waren noch lange Gespräche zu hören. Nicht sehr laut und nicht sehr störend. (Ich war ohnehin wach da wieder einmal mit einer Darmverstimmung regelmäßig zwischen Bett und Toilette unterwegs).
Doch gegen drei Uhr wurden die Stimmen im Haus deutlich lauter und auch in den Räumen über uns entstand Bewegung. "Die kegeln wohl", vermutete der auch erwachte Jo. Aber ich hielt es eher für Möbelrücken. Als dann auch noch das Fenster laut aufgerissen wurde und die Stimmen über die Straße schallten, musste ich dann auch mal aus dem Fenster sehen. In dem Moment rieselte ein ganzer Schauer kleiner Steinchen und Putzstücke am Fenster vorbei auf die Straße. Halb vier dann laute Stimmen und Rufe auf der Straße. Ich also noch mal ans Fenster und rausgeguckt - und sah eine Mitarbeiterin des Hostels mit zwei Polizisten im Gespräch. ie schauten nach oben, von wo offenbar die lautere der Stimmen gekommen war. Also wohl doch Randale, die Polizei wird schon für Ruhe sorgen. Aber die sollte nicht eintreten. Ein großes Auto war wenig später zu hören, dann wieder Lärm unter unserem Fenster. An der nächsten Straßeneinmündung stand ein Feuerwehrauto und sperrte die Zufahrt ab. An der nächsten Straßeneinmündung stand ein Krankenwagen in Bereitschaft. Feuerwehrmänner stellten mittlerweile auf dem Fußweg ein Sprungtuch auf, das sich mit lautem Zischen aufblies. Erst jetzt begriffen wir, dass es wohl nicht schlechthin Randale war, sondern irgend jemand auf dem Dach stand. Als wir dann noch drei Polizisten die Treppe hinaufschleichen sahen mit schusssicheren Westen und der Pistole im Anschlag, zogen wir uns mal lieber ins Innere des Aufenthaltsraumes zurück. Zuvor zogen wir uns aber mal vorsichtshalber an und packten unsere Sachen. Die Polizisten allerdings kamen wenige Minuten später zurück. Das laute Möbelrücken diente also dazu, die Türen zu verbarrikadieren. Kurz und gut. Bis halb sechs konnten wir noch verfolgen, wie Polizei und Feuerwehr auf der Straße versuchte, mit dem da oben im Gespräch zu bleiben. Erst zu der Zeit gelang es der Polizei - wieder bewaffnet - sich gemeinsam mit Feuerwehrleuten Zugang zu den Räumen in der oberen Etage zu verschaffen.
Wenig später rumpelte es auf dem Dach über uns und ein Schleifgeräusch war zu hören. Kurz darauf kamen die Polisten, einen in eine dicke Jacke gehüllten Mann zwischen sich. Er trug schon Handschellen. Vor dem Haus gab es dann noch ein kurzes Gespräch, wir hörten ihn klagen und jammern. Leider ist unser Bulgarisch zu schlecht um auch nur ein wenig vom Gespräch zu verstehen. Gegen 6.30 Uhr war dann endlich Ruhe und wir beschlossen, uns noch eine Stunde aufs Bett zu legen. Bei der Schlüsseabgabe dann -kein Wort der Erklärung, keine Entschuldigung, als wäre nichts geschehen. So haben wir natürlich auch nicht erfahren, was wirklich passiert war. Nur ein Selbstmörder, oder war er gar bewaffnet oder hatte damit gedroht? Oder sogar eine Geisel? Viel Platz für Spekulationen für uns.
Ein unschönes Erlebnis, das auch gute Seiten offenbarte. So hat uns der doch sehr ruhig verlaufende Einsatz von Polizei und Feuerwehr gefallen. Kein Sirenenlärm weckte die Anwohner, kein Blaulichtgeflacker lockte Neugierige oder gar Kamerateams oder Fotografen an. Nichts deutete darauf hin, dass hier Ungewöhnliches, vielleicht gar Spektakuläres passierte.

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