Donnerstag, 26. März 2020

Einkaufen in Corona-Zeiten

Für alle Fälle haben wir jetzt Masken
Heute mal wieder einkaufen - ganz im Zeichen der Corona-Krise. Zuerst bei unserem Freund Dimtscho Atemmasken geholt. Als wir ihn fragten ob er welche nähen kann sagte er uns, dass einige schon fertig sind. Es fehlt nur die Gummilitze um sie an den Ohren festzumachen. Da konnten wir helfen. Beim letzten Deutschlandbesuch hatten wir einige Meter gekauft. Also mit den Masken in der Tasche los nach Zarevo. In der derzeitigen Situation sind wir froh, dass wir Lidl so ganz in der Nähe haben. Alles Notwendige an einem Platz. Am Lidl-Eingang gab es die Einkaufswagen nur im Vorraum. Nach jedem Kunden werden die Griffstangen desinfiziert. Das machen die Security-Leute. Dazu muss man wissen, dass hier in Bulgarien in jedem grösseren Geschäft, jeder Bank, auch in der Post ständig Sicherheitsleute präsent sind. Und diese Sicherheitsleute sorgen im Moment auch für Hygienemassnahmen und dafür, dass nicht mehr als eine kleine Anzahl Kunden in den Markt kommt. Da wir zur Gruppe der älteren und somit besonders gefährdeten Leute gehören können wir morgens einkaufen. Die bulgarische Regierung hat im Rahmen der Sicherheitsmassnahmen festgelegt, dass in allen Lebensmittelgeschäften, Supermärkten, Apotheken in der Zeit von 8.30 bis 10.30 Uhr nur über 60jährige einkaufen dürfen. Die jüngeren erst danach. Also frisch desinfizierten Wagen gegriffen, Hände mit dem bereitgestellten Desinfektionsmittel behandelt und los. Es gab alles, auch Toilettenpapier. An den Kassen auch wieder Sicherheitsleute präsent, damit die Sicherheitsabstände gewahrt bleiben. Die KassiererInnen sind durch Glasscheiben geschützt. Alles bestens also. Traurige Botschaft: Unser Lieblingsgemüsehändler hat bis Ende März geschlossen. Wahrscheinlich bleiben die Kunden aus, da wird also gleich mal Urlaub gemacht.
Was man in Krisenzeiten sonst noch braucht
Die Zahlen der nachgewiesenen Coronainfektionen halten sich in Bulgarien bisher in engen Grenzen. Rund 260 Fälle sind derzeit bekannt, langsam ansteigend. Die Regierung gibt sich alle Mühe, ein schnelles Ausbreiten der Krankheit zu verhindern. Eine Massnahme ist auch, dass die grossen Städt abgesperrt sind. Es gibt Einfahrtkontrollen, durchgelassen wird nur, wer zur Arbeit, zum Arzt muss  oder andere unaufschiebbare Sachen zu erledigen hat.
Jetzt herrscht allerdings vielerorts zunehmende Verunsicherung. In nächster Zeit sollen viele Familien, vor allem Roma-Familien, aus den Ländern zurücckkommen, in denen sie in den letzten Monaten gearbeitet haben: Italien, Spanien, Grossbritannien, Griechenland, Deutschland. Also Länder mit deutlich höheren Fallzahlen. Und die Sorge wächst, dass nicht alle Rückkehrer sich an die Quarantänevorschriften halten werden.
In unserem Dorf sucht  die Bürgermeisterin per facebook und Aushang Freiwillige, die bereit sind bei Bedarf Bedürftige zu unterstützen. Das wird auch in anderen Gemeinden so gehandhabt, auch wenn es bisher nicht nötig ist. Alles in allem haben wir den Eindruck, dass Bulgarien bisher viel getan hat ein schnelles Ausbreiten der Viruserkrankung zu verhindern. Allerdings in einem extremen Mass auf Kosten der Bevölkerung. Alle Massnahmen sorgen dafür, dass es massenhaft Arbeitslose gibt und das Menschen, die ohnehin nur vom Frühling bis zum Sommerende im Tourismus Geld verdienen können, völlig ohne Einkünfte dastehen. Sozialhilfe, auf die jetzt viele angewiesen sind, reicht nicht annähernd zum Leben. Gaststätten und Hotels werden massenhaft pleite gehen. Die Fachverbände rechnen mit 50 Prozent. Hilfen sind kaum in Sicht. Bulgarien ist ein armes Land und die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass auch diesmal die grossen Summen, die aus Brüssel kommen, in den Taschen weniger verschwinden.

Sonntag, 22. März 2020

Am Anfang war der März noch schön

Zum Wohl auf ein gutes Weinjahr
Er hat gut begonnen, der Monat März. so wie auch schon der Februar sich gezeigt hatte. Das Wetter mit Unterbrechungen frühlingshaft schön. Und Feste und Feiern am laufenden Band.
Da war im Februar erst mal der Trifonstag, Tag des Heiligen Trifon, der vor allem die Winzer beschützt. Gefeiert wird er laut neuem Kalender am 14. Februar. Es ist der Tag, an dem mit den unterschiedlichsten Ritualen die Weinstöcke gesegnet werden. Dazu treffen sich kommerzielle und private Winzer zu einem kleinen Fest. So auch in unserem Dorf. Die Männer trafen sich am Vormittag bei schönstem Sonnenschein auf der Strasse, jeder hatte etwas für einen kleinen Imbiss mitgebracht und natürlich den Wein vom Vorjahr. Jo hatte unseren selbstgemachten Schinken dabei. Wir Frauen trafen uns in Maras Laden und verkosteten dort Wein und hausgemachte Wurst und verschiedene Speck- und Schinkenspezialitäten.
Am 1. März dann war Baba Marta zur grossen Freude nicht nur der Kinder auch in unserem Dorf und verschenkte die traditionellen rot-weissen Bändchen. Am Abend wurde ein uralter Brauch zelebriert: Palikosh, brennender, mit Stroh gefüllter Korb. ein Ritual das es nicht nur in Bulgarien gibt: Stroh oder Strohpuppen werden verbrannt und auf dese Weise wird der Winter vertrieben.
Alles Gute zum 70. liebe Nina
Am 8. März dann kleine Frauentagsfeier im Varnata bei einem schönen Mittagessen mit traditioneller Volksmusik. Zum Tanzen ging es dann in die neue Pizzeria, wo die Romafrauen feierten. Dort wurde dann auch getanzt. Getanzt haben wenige Tage später auch die Frauen, die sich regelmässig in Maras Laden treffen: eine aus unserer Mitte feierte ihren 70. Geburtstag.
Und dann war plötzlich Schluss. Corona hatte uns eingeholt. Sicher war vorher schon viel von der Krankheit die Rede, einige wenige Erkrankungen waren auch in Bulgarien registriert. Schon sehr früh, viel früher als Deutschland, hat die bulgarische Regierung Kontrollen an den Grenzen und Veranstaltungsverbote verfügt. Es herrschen starke Beeschränkungen für den Aufenthalt im Freien, aber keine generelle Ausgangssperre.
Baba Marta war da
Mittlerweile sind die Grenzen noch viel schärfer überwacht, alle Shopping-Malls, Gaststätten, Diskos, Bars und viele andere mussten schliessen. In den Malls dürfen nur Lebensmittelläden, Apotheken, Drogerien öffnen. In den Gemeinden ist es vorgeschrieben, dass alle Neuankömmlinge sich bei der Verwaltung anmelden müssen. Die grossen Städte werden Fahrzeuge an Ein- und Ausfahrtstrassen kontrolliert, nur unbedingt notwendige Fahrten werden erlaubt. Und ausserdem: um die älteren Bürger besonders zu schützen dürfen von 8.30 bis 10.30 Uhr nur Leute über 60 Jahre einkaufen, alle anderen erst danach.

Toilettenpapier ist nicht ausverkauft, aber gehamstert wurde natürlich auch hier. Vor alle preiswertes Mehl und Oel waren schnell vergriffen. Massenhaft leere Regale wie in Deutschland sieht man hier allerdings nicht, dazu fehlt die Kaufkraft.
Zur Zeit werden in den Gemeinden Freiwillige gesucht, die bereit sind den Menschen zu helfen, die nicht mehr selbst ihren Lebensalltag bewältigen können. Ganz vornan steht natürlich erst mal die Hilfe beim Einkauf.
Wir sind von Anfang an nur noch zum Einkaufen gefahren und ansonsten zu Hause geblieben. Da haben wir Glück dass wir einen Garten haben und nicht mitten in einer Stadt leben. Ausserdem wollen die Hunde ihren Spaziergang haben und die Pferde müssen versorgt werden. Also normaler Alltag nur ohne Besuche bei oder von anderen Menschen.
Der Frühling ist trotzdem da und erfreut uns
Irgendwie fühlte man sich anfangs wie in einem Science-Fiction-Film und so gar nicht wie in der Realität. Aber dieses Gefühl ist mittlerweile verschwunden - es ist die Realität und sie wird noch eine Weile so weitergehen. Und wir lernen damit zu leben, zumindest eine ganze Weile.